"Ich habe den Regenschutz dabei - immer wenn ich mit Guggi auf Tour gehe regnet es" so liess sich Daniel Bangerter bei der Begrüssung am Freitag Morgen auf dem Perron 2 in Langenthal vernehmen. Und er sollte recht behalten - doch nun schön der Reihe nach.
Die Bahn bringt uns am Freitag Vormittag nach Montroc, ein paar Kilometer oberhalb von Chamonix gelegen. Tagesziel ist die im 2014 renovierte Cabanne Albert Premier der Bergführer von Chamonix und des CAF. Die Berbahnen von Le Tour nach Les Grandes Otanes verkürzen den Aufstieg um gut 600 Höhenmeter. Eine willkommende Erleichterung beim strahlend schönen, schweisstreibenden Sommerwetter. So bleiben noch gut 600 Höhenmeter in den Süd-West Hängen der Pointe des Grandes zu bewältigen, bevor wir in der Hütte das kühle Bier geniessen können. Nach dem Nachtessen geniessen wir auf der Hüttenterasse den prächtigen Sonnenuntergang.
In der Morgendämmerung sagen wir der Alber Premier Hütte adieu und steigen über Moränenschutt zum Gletscher hoch. Bereits nach einer halben Stunde heisst es Steigeisen anschnallen und anseilen. In drei Seilschaften gewinnen wir auf dem unschwierigen Gletscher rasch an Höhe. Rechts von uns erstrahlt die Aiguille de Chardonnet im Morgenlicht. Am Firnament machen sich aus Südwesten Cirren bemerkbar. Kurz vor der Tête Blache stellen wir vom Gehen am langen Seil auf Gehen am kurzen Seil um. Die Firnhänge steilen sich gegen die Petite Fourche auf und das Risiko eines Ausrutschers ist deutlich höher als ein Spaltensturz. Die letzten Meter zum Gipfel verlaufen auf einem Blockgrat. Da wir nicht allein am Berg unterwegs sind, heisst es kurz Warten, bis die Schlüsselstelle vor dem Gipfel frei ist. Unterdessen hat der Wind unangenehm aufgefrischt. Die Verhältnisse laden nicht zu einer längeren Gipfelrast ein. So machen wir uns umgehend an den Abstieg zur Abseilstelle an der Eissichel zwischen Tête Blanche und Petite Fourche. Die Abseilerei ist spektakulär. Ohne ein bisschen Zughilfe von Leander, der das Hindernis als erster überwunden hat, würde man mitten im Bergschrund landen.
Schon um viertel vor Elf sitzen wir in der ostexponierten, windstillen Mulde unter der Tête Blanche und lassen den Blick zur Cabanne de Trient wandern. In einer Stunde wären wir dort. Der Wetterbericht kündet für den Sonntag den Durchgang einer Störung an. Als Tourenleiter schlage ich vor, statt direkt zur Hütte zu marschieren, die Aiguilles d'Orées auf der Südseite zu umgehen und einen Blick auf die spektakulären Granitfluchten auf der Südseite des Gebirgsstocks zu werfen. Gesagt - getan. Der Abstieg vom Fenêtre de Saleina auf den Glacier de Saleina hat es in sich. Ein erster Versuch den Bergschrund halb abseildend, halb abkletternd zu überwinden scheitert. Leander findet schlussendlich einen Durchschlupf auf den Gletscher. Das Abklettern in der steilen Flanke mit beschränkten Sicherungsmöglichkeiten verlangt volle Konzentration.
Nächstes Ziel ist das Fenêtre de Susanne. Eine 30 m Abseilstelle über einen Überhang ist ein weiterer Höhepunkt der erweiterten Tour. Hier ereilt uns das Schlechtwetter. Selbst die Wetterfrösche haben nicht erwartet, dass bereits kurz nach Mittag von Frankreich her eine schmale Regenzone die Schweiz erfassen würde. Nach der Abseilstelle - steigen wir einen steilen Schneehang runter, umrunden den Südgrat der Tête Biselx und steigen über Moränen und Schneefelder zur Lücke westlich des Roc de Pligne auf. Das Bivac de l'Envers des Dorées lassen wir rechts liegen. Nach kurzer Pause setzt wieder leichter Regen ein. Zum Glück bleibt die Sicht gut. In der Lücke seilen wir wieder an und erklettern über eine steile Firnschneide den höchsten Punkt des Übergangs. Positiv ist, die Cabanne de Trient nun in greifbarer Nähe zu sehen, negativ ist der schneidende Wind und der nun einsetzende starke Regen. Horizontal kommen die grossen Tropfen geflogen. In grossen Schritten eilen wir der Hütte entgegen, die wir total durchfroren erreichen. Der Hüttenwart hat zum Glück vorgesorgt. Der grosse Stubenofen ist eingefeuert und wärmt die ausgekühlte Gästeschar wieder auf. Im neuen Anbau der Hütte erhalten wir unser Zimmer zugeteilt. Während der ganzen Nacht hört man den Regen aufs Dach trommeln. Mal schwächer, mal stärker und hie und da wird das Prasseln durch Donnergrollen ergänzt. Tja, die Tête Crêttez, das Sonntagsziel können wir vergessen.
Bei leichtem Regen, die Aiguilles d'Orées sind mit Neuschnee überzuckert, steigen wir am Sonntag Vormittag zur Cabanne d'Orny ab. Zum Glück klart es für das letzte Wegstück bis zur Sesselbahnstation von Breya auf. Bei einem Glas Johannisberg geniessen wir in Champex le Lac die wärmenden Sonnenstrahlen. Kaum zu glauben, dass wir vor nur knapp 24 Stunden total ausgekühlt um den warmen Hüttenofen standen.
Und ja - Daniel hat recht behalten - wieder eine von Guggi geleitete Tour mit Regen. Zum Glück ist der Mensch nicht wasserlöslich und der Tourenleiter bemüht sich nächstes Jahr zur Abwechslung mal eine regenfreie Tour einzuplanen.
Text: JG
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